Wenn wir jemanden lieben, dann fühlen wir uns mit demjenigen besonders verbunden. Ist diese Verbundenheit auf irgendeine Weise gestört, dann beginnen wir zu hoffen. Wir entwickeln optimistische Vorstellungen, Erfolg versprechende Erwartung und positive Wünsche, die recht bald in Erfüllung gehen sollen. Mit unserer Hoffnung bauen wir eine Brücke zwischen dem, was tatsächlich ist, uns aber nicht gefällt oder gut tut und dem, was werden soll und auf jeden Fall besser sein wird.
Hoffnung kann über Jahrzehnte aufrecht erhalten werden. Es gibt zwar keine Garantie, dass wir durch unsere Hoffnung das bekommen, wonach wir uns sehnen, doch sie hält uns in der Zuversicht und in dem Glauben, dass alles besser wird. Diese innere Haltung kann unsere Handlungen, unser Wohlgefühl und unsere Verhaltensweisen zutiefst beeinflussen. Sie kann uns über schwere Zeiten tragen und unser Leben retten. Doch wenn die Hoffnung stirbt, wir nicht mehr daran glauben, dass es besser wird, dann kann das Pendel in die andere Richtung ausschlagen. Depressive Zustände, Panik, Niedergeschlagenheit und Sinnlosigkeit können dann an die Stelle von Hoffnung und Zuversicht treten.
In Beziehungen neigen wir Menschen dazu, fehlende Verbundenheit mit Hoffnung zu überbrücken, um die Zeit der Entbehrung, Entsagung, des Mangels und der Trennung besser aushalten zu können.
Auf ganz tiefer Ebene sind alle Menschen miteinander verbunden, daher heißt es auch oft, dass die Liebe uns alle vereint. Diese Verbundenheit ist immer da, ob wir sie fühlen oder wahrnehmen können oder nicht, ändert nichts daran. Es ist eine Verbundenheit, die da ist und niemals zerstört werden kann. Normalerweise können wir uns in diese tiefe allumfassende Verbundenheit nicht hineinversetzen und sie auch nicht vollends begreifen, da wir andere Formen von Verbundenheit in unserem Alltag erleben und gelernt haben. Dort, wo wir unzertrennlich und immerwährend miteinander verbunden sind, wird sich dies auch nie ändern. Doch auf all den anderen Ebenen der Verbundenheit, können wir uns voneinander abtrennen. Der Unterschied zwischen der ursprünglichen unzerstörbaren und der eingeschränkten endlichen Form von Verbundenheit liegt darin, dass die erste Form von unserem Wesen ausgeht und die zweite Form ein Ausdruck unseres Wesens darstellt.
In unserem Wesen sind wir unzertrennlich. Im Ausdruck unseres Wesens können wir uns lösen, separieren, abkoppeln, isolieren, entfremden, wegdrehen, dicht machen, keine Worte finden, nicht aufeinander eingehen, wegstoßen, verurteilen und aneinander vorbei leben – wodurch wir anhaltende Trennung erzeugen können.
Auf der Ebene unseres Ausdrucks gibt es unterschiedliche Formen und Qualitäten von Verbundenheit. In einer Beziehung zwischen zwei Menschen kann dies in drei Bereiche eingeteilt werden. Wir können geistig, emotional und körperlich miteinander verbunden sein.
Unser zwischenmenschlicher Kontakt kann unterschiedliche Qualitäten haben. Wenn wir miteinander reden, dann kann das ein inspirierender geistiger persönlicher Austausch sein, es kann aber auch sein, dass einer den anderen belehrt, nur von sich erzählen möchte oder sogar angriffslustig den Gegenüber beschimpft. Die Qualität, mit der wir in Verbindung gehen, zeigt uns, wie sehr wir versuchen, abgetrennt voneinander zu sein oder uns annähern möchten. Wenn wir uns gegenseitig hassen und verachten, dann sind wir miteinander verbunden und halten uns dabei permanent auf Abstand. Sind wir dagegen wertschätzend und zuversichtlich miteinander, dann nähern wir uns in der Verbundenheit einander an.
In einer Beziehung zwischen zwei Menschen kann die Verbundenheit auf verschiedene Weise gestört sein. Wenn ich eine Paarbeziehung untersuche, dann schaue ich mir die geistige, seelische und körperliche Verbundenheit genauer an:
Geistige Ebene – Kommunikation, Austausch, gemeinsame Visionen und Werte
Auf der geistigen Ebene kann die Kommunikation gestört sein, wenn einer mit dem anderen nicht redet, dann kann das zu vielen Missverständnissen führen oder der, mit dem nicht gesprochen wird, fühlt sich unverstanden oder sogar abgelehnt. Oft weiß derjenige, der nicht spricht, einfach nicht, wie er sich ausdrücken soll, ist verunsichert oder hat es nicht gelernt, sich offen verbal auszutauschen, weil es in dessen Familie nicht üblich war, miteinander zu reden.
Auf der geistigen Ebene gibt es eine sehr sichere und verbreitete Form, sich gegenseitig auf Abstand zu halten: das Urteil. Wenn wir etwas stark verurteilen, beurteilen oder bewerten, dann wehren wir es ab. Das ist grundsätzlich schlecht, doch wenn es permanent geschieht, dann erzeugen wir unentwegt Trennung, Ablehnung und Geringschätzung.
Eine weitere Störung auf der geistigen Ebene von Verbundenheit, die so sehr verbreitet und daher in fast jeder Beziehung üblich ist, ist die Angewohnheit, dem anderen zu sagen, dass er anders sein soll. Dies ist wie eine ansteckende Epidemie. Eltern sagen es ihren Kindern, Kindern ihren Eltern, Frauen ihren Männern, Männern ihren Frauen usw.. Oft können wir uns selbst nicht so nehmen, wie wir sind und wurden schon von unseren Eltern auf diese Weise drangsaliert. Daher empfinden wir es als völlig normal, unserem Gegenüber andauernd signalisieren zu müssen, wie er sein oder nicht sein soll. Prinzipiell kann eine Bemerkung darüber, dass wir jemanden gern anders hätten oder dass uns etwas missfällt, vollkommen in Ordnung sein. Doch wenn wir immer wieder in allen erdenklichen Varianten unserem Gegenüber nahe legen, dass er so wie er ist, nicht richtig ist, er es anders machen, denken oder fühlen soll, dann ist das nicht nur anmaßend, sondern kann sehr abstoßend und zerstörerisch wirken.
Manchmal finden Paare auf dieser Ebene auch nicht zueinander, weil ihre Visionen und Werte nicht übereinstimmen. Ein Klassiker sind hier die Streitereien, die sich manchmal durch die gemeinsame Kindererziehung ergeben. Viele unserer Werte übernehmen wir von unseren Eltern. Wenn diese unreflektiert sind und nie in Frage gestellt wurden, dann übernehmen wir sie blind und sind meist auch nicht offen für etwas Neues. Auch gemeinsame Pläne, wie zusammen ziehen, Kinder kriegen, eine bestimmte Lebensweise oder heiraten können scheitern, wenn wir zu unterschiedliche Vorstellungen von unserem Leben haben. Kommen wir hier nicht zusammen oder gehen wir Kompromisse ein, anstatt einen Konsens zu finden, dann kann das zu Leid und Unzufriedenheit führen.
Seelische Ebene – Liebe, Mitgefühl, Verantwortung und Gefühle
Unverbundenheit auf der seelischen Ebene resultiert immer aus der Abgegrenztheit zu den eigenen Gefühlen. Fühlen wir uns selber nicht, weil wir nicht wollen oder können, dann fühlen wir auf dieser Ebene auch keine Verbundenheit zu unseren Mitmenschen. Leider ist auch dies ein sehr verbreitetes Phänomen. Wir können spüren, ob uns jemand seelisch an sich heran lässt oder uns auf Abstand hält. Meistens haben wir diese Erfahrung schon als Kinder bei einem oder beiden Eltern gemacht. Sich gefühlsmäßig nicht richtig nah sein zu können, kann in Beziehungen sehr verunsichernd sein. Wir fühlen uns dann bei dem anderen nicht gut aufgehoben, haltlos und allein gelassen. Derjenige, der sich verbinden will, perlt am Gegenüber regelrecht ab. Derjenige, der sich seelisch nicht verbinden kann, wird dies kaum bemerken und versteht meistens auch nicht, wovon der andere spricht, wenn er sich seelisch nicht aufgehoben fühlt. Seelische Nähe wird hier als bedrohlich empfunden und instinktiv verhindert.
Wir Menschen können auf der seelischen Ebene sehr belastet sein. Eigene oder familiäre Traumatisierungen, unverarbeitete Trauer, seelischer Schmerz oder Selbstentfremdung können seelische Verbundenheit unmöglich machen. Solche Belastungen führen dazu, dass ein Mensch alle anderen Menschen permanent abwehrt oder sich selber dem Gegenüber immer wieder entzieht. Diese Formen von Unverbundenheit mussten viele Erwachsene als Kinder bei ihren Eltern schon erleben. Solche Bindungsstörungen oder -traumata haben oft zur Folge, dass alle nachfolgenden Beziehungen auch nicht nah, gemeinschaftlich, vertrauensvoll, innig, freundlich und freundschaftlich gelebt werden können, weil es nicht gelernt wurde, seelisch gesund, teilnahmsvoll und herzlich verbunden zu sein. Bindungstraumata können Menschen zutiefst verunsichern und dazu führen, dass Beziehungen ständig kontrolliert werden müssen.
Körperliche Ebene – Sexualität, Berührung, Sinnlichkeit und Umarmungen
Auf der körperlichen Ebene ist für uns Menschen die Unverbundenheit am deutlichsten. Menschliche Körper sind getrennt voneinander. Daher ist der körperlicher Kontakt, die klarste und handfesteste Verbindung, die wir eingehen können. Unsere Körper sind von sich aus neutral. Sie wollen nichts geben und nichts bekommen. Daher ist absichts- und bedürfnisloses Umarmen, Berühren oder Beieinanderliegen im Grunde das natürlichste der Welt.
Oft geht in Paarbeziehungen die Körperlichkeit im Laufe der Jahre verloren. Es gibt keinen Sex mehr oder im Alltag wird sich nicht mehr berührt oder geküsst. Die körperliche Unverbundenheit kann viele Ursachen haben. Meistens sind es seelische Probleme, die hier die Nähe verhindern. Es kann aber auch sein, dass der Partner uninteressant, langweilig oder unattraktiv für den anderen geworden ist. Wenn der körperliche Kontakt schleichend verschwindet, dann helfen auch oft keine Gespräche mehr. Diese können sogar dazu führen, dass sich die Situation immer mehr verfestigt.
Haben wir unsere gemeinsame Körperlichkeit verloren, dann kann Paartherapie hilfreich sein, um sich einander wieder anzunähern. Hier können Vorstellungen, Vorlieben, Verletzungen oder Bedürfnisse offen zur Sprache gebracht werden, es kann neue Impulse für den Alltag geben oder es werden gemeinsame Strategien entwickelt, wenn sich das Paar dies wünscht, um sich körperlich wieder näher zu kommen.
Grundsätzlich ist die Körperebene, wenn sie nur für sich steht, eine eher unkomplizierte Ebene. Körper lieben Berührung und Kontakt. Um körperliche Unverbundenheit zu überwinden, müssen wir uns im Grunde nur betasten, beieinanderliegen, küssen, streicheln oder umarmen. Je absichtsloser, desto besser. Oft werden durch Körperkontakt jedoch eine Vielzahl von Bedürfnissen geweckt. Dazu gehören sexuelle Befriedigung, sich sicher und geborgen fühlen zu wollen, gesehen, wertgeschätzt oder attraktiv sein zu wollen. Diese Bedürfnisse gehören nicht zu unserem Körper, sondern zu unserem geistig-seelischen Ausdruck. Richten wir starke Bedürfnisse auf unseren Gegenüber, dann wirkt dies in der Regel abstoßend und führt zu Zurückweisung und Ablehnung. Am deutlichsten zeigen uns unsere Mitmenschen dies, indem sie uns körperlich auf Abstand halten.
Finden wir Menschen auf diesen Ebenen nicht zueinander, dann können wir viel Hoffnung, jedoch auch einige Ängste entwickeln. Es sind solche Ängste, die durch das Hoffen überhaupt erst entstehen, da wir ja nie genau wissen, ob unsere Erwartungen erfüllt werden, also, ob es jemals besser wird.
Die alte Redewendung – die Hoffnung stirbt zuletzt – sagt, dass wir unsere Erwartungen als letztes aufgeben. Wir halten lieber einem inneren Zustand der Zuversicht aufrecht, um nicht verzweifeln zu müssen, weil wir uns vielleicht nicht schlecht fühlen oder etwas ändern wollen. Deshalb gehen Hoffnung und Leid immer Hand in Hand. Dabei können uns gerade negative Gefühle sehr behilflich sein, wenn es darum geht, neue Entscheidungen im Leben zu treffen, intensiv mit uns in Kontakt zu kommen, kreativer zu werden oder uns besser abzugrenzen zu lernen. Hoffen wir unentwegt, anstatt uns irgendwann unserer realen inneren und äußeren Wirklichkeit zu stellen, dann kann es sein, dass wir wunderbare Lern- und Entwicklungschancen in unserem Leben einfach vorüberziehen lassen.